Wer in diesem und im letzten Jahr unsere Auftritte auf verschiedensten Online-Conventions verfolgt hat, wird immer wieder über eine Frage gestolpert sein, die uns gestellt wurde, die wir aber noch nicht abschließend beantworten konnten: Wie geht es mit Numenéra weiter? Zuletzt war im Sommer 2020 mit dem Bestiarium der Neunten Welt ein wichtiger und lange erwarteter Zusatzband für das Science-Fantasy-Rollenspiel erschienen. Danach haben wir keine weiteren Titel für die Reihe angekündigt. Stattdessen war unsere Antwort auf die Frage nach Numenéra immer dieselbe: Wir müssen die Verkaufszahlen der Reihe beobachten und dann eine Entscheidung treffen, ob es sich lohnt, weitere Bücher zu übersetzen. Über einen längeren Zeitraum war das Grundregelwerk des Spiels vergriffen, was unsere Analyse erschwert hat. Denn eine Reihe, deren Grundregelwerk nicht verfügbar ist, performt immer schlechter, als sie es könnte.
Und dann ist da selbstverständlich auch die Sache mit der Pandemie. Es gibt wohl kaum einen Bereich des menschlichen Lebens, der 2020 und auch 2021 nicht von Covid-19 beeinflusst worden ist. Selbst unsere Entscheidungsfindung bezüglich Numenéra ist dem nicht entkommen. Denn seit dem Frühjahr letzten Jahres hat es faktisch keine physischen Conventions mehr gegeben, was bedeutet, keine physischen Demorunden, in denen neue Fans für die Neunte Welt gewonnen werden konnten. Unser Support-Team hat auf den diversen Online-Conventions alles gegeben, um die physischen Demorunden zu ersetzen. Trotzdem waren wir lange Zeit unsicher, wie wir die Performance der Reihe bewerten sollten. Wir haben daher den Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung mehrfach vertagt, um ganz sicher zu gehen, dass wir uns richtig entscheiden.
Mittlerweile ist fast ein ganzes Jahr vergangen, seit wir erstmals über die Zukunft der Reihe beratschlagt haben, und wir sind letztendlich zu einem Ergebnis gekommen. Dieses Ergebnis ist nicht schön, aber notwendig, denn wir haben uns dazu entschieden, keine weiteren Bücher für Numenéra mehr zu übersetzen.
Diese Entscheidung ist uns alles andere als leichtgefallen, denn wir mögen Numenéra und sind auch weiterhin davon überzeugt, dass dieses Spiel wirklich gelungen ist und Potential für tolle Spielrunden bietet. 2014, lange bevor ich Mitarbeiter des Uhrwerk Verlags und schließlich sogar zuständiger Redakteur für Numenéra wurde, habe ich bereits eben jenes Crowdfunding unterstützt, mit dem die Übersetzung des Grundregelwerks von Numenéra ins Deutsche realisiert wurde. Ich habe die Neunte Welt mit verschiedenen Spielgruppen erforscht und auf diversen Conventions Kund*innen mit meiner Begeisterung für das Spiel angesteckt. Die Aufgabe, jetzt das Ende der Reihe bekanntzugeben, ist also auch persönlich alles andere als schön.
Trotzdem muss unsere Entscheidung ausfallen, wie sie es nun einmal tut. Denn Numenéra erzielt leider nicht die Erfolge, die nötig wären, um eine weitere Arbeit an der Reihe zu rechtfertigen. Eine solche Aussage klingt herzlos, entbehrt aber nicht einer soliden Grundlage. Die Verkaufszahlen der Reihe, die wir jetzt seit mehr als zwei Quartalen beobachtet und ausgewertet haben, sprechen eine eindeutige Sprache: Numenéra hat eine Fangemeinde, die der Reihe sehr treu ist, aktiv spielt und sich über jeden neuen Titel freut. Aber diese Fangemeinde ist leider nicht groß genug. Das bedeutet, zu wenige Bücher werden verkauft, zu große Teile der Auflagen bleiben in unseren Lagern liegen und die Arbeit an der Reihe rentiert sich nicht.
Natürlich könnte man darüber nachdenken, die Titel der Reihe zukünftig in entsprechend kleinerer Auflage zu produzieren. Leider wäre damit das Problem nicht gelöst. Denn kleinere Auflagen bedeuten höhere Produktionskosten pro Buch und auch die redaktionelle Arbeit, die vor dem Druck selbst erfolgen muss, bleibt selbstverständlich dieselbe. Eine kleine Auflage ist also relativ kostenintensiv und bindet Arbeitszeit und -kraft, die in einem kleinen Team wie dem unserem ohnehin immer knapp bemessen sind.
Eine andere scheinbare Lösung würde darin bestehen, neue Publikationen der Reihe per Crowdfunding zu realisieren. Immerhin wäre die Frage, wie die Verkaufszahlen ausfallen, bereits vorab beantwortet. Trotzdem würde das grundlegende Problem bestehen bleiben: Die einzelnen Titel erfordern einen Aufwand an Arbeitszeit und Produktionskosten, der an anderer Stelle mehr Gewinn bedeuten würde. Außerdem würde eine solche Vorgehensweise auch unserer Verlagsphilosophie bezüglich Crowdfundings widersprechen. Wir sehen in solchen Kampagnen in erster Linie ein Werkzeug, um gänzlich neue Spiele in unserem Verlagsprogramm zu realisieren und ihnen einen möglichst sicheren Start zu ermöglichen, so wie es unter anderem bei Numenéra geschehen ist. Die Zielsetzung eines Crowdfundings sollte nach unserer Ansicht nicht darin bestehen, eine Reihe am Leben zu erhalten, die im regulären Betrieb nicht funktioniert, auch wenn wir diese Reihe sehr mögen.
Die wichtigen Produkte der Reihe sind in deutscher Übersetzung erschienen: Neben dem Grundregelwerk stehen Bände zur Spielwelt, zur Technologie und Ausrüstung und zu den Kreaturen der Welt zur Verfügung. Auch fertige Abenteuer sind verfügbar. Alle Produkte der Reihe werden wir selbstverständlich auch weiterhin im Programm führen, solange unsere Lagerbestände es zulassen. Und ganz ohne Hoffnungsschimmer wollen wir euch auch nicht zurücklassen: Denn sollte Monte Cook Games sich irgendwann entscheiden, eine zweite Edition für Numenéra zu veröffentlichen, werden wir diese neue Edition selbstverständlich in Augenschein nehmen. Und wer weiß, vielleicht wird ein deutsches Numenéra auf diesem Weg eine zweite Chance bekommen.
Wir sind uns bewusst, dass diese Bekanntmachung für die Fans von Numenéra eine traurige Nachricht darstellen wird, schließlich sieht es für uns nicht viel anders aus. Wir hoffen, dass ihr trotzdem verstehen könnt, warum wir diese Entscheidung getroffen haben. Unsere jüngere Verlagsgeschichte hat sehr deutlich gezeigt, dass es bei aller persönlichen Leidenschaft unabdingbar ist, wirtschaftlich zu arbeiten. Wir können unsere verschiedenen Reihen nur dann weiterführen, wenn der Verlag genug Umsätze generiert und Gewinn erzielt. Auch wenn wir mit Herz und Seele an unseren Produkten hängen, müssen wir sie doch auch unter nüchternen wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten, damit es auch in Zukunft Produkte bei uns geben kann.
Und das bedeutet manchmal, Abschied nehmen zu müssen, auch wenn es schwerfällt. Wir beenden unsere Reise in die Neunte Welt von Numenéra. Eine Reise, auf der uns viele von euch begleitet haben, manchmal vom ersten Schritt an, manchmal auch nur für ein kleines Stück des Wegs. Bei allen, die beteiligt waren, möchten wir uns bedanken. Bei all denen, die auf verschiedenste Weise an den Büchern und anderen Produkten der Reihe mitgearbeitet haben und bei all den Rollenspieler*innen, die Numenéra gespielt haben, die anderen begeistert davon erzählt haben und auf unzählige Arten und Weisen die Neunte Welt in all ihrer Seltsamkeit mit Leben erfüllt haben. Danke, dass ihr an unserer Seite wart!
Felix Hensell für den Uhrwerk Verlag